
Klinik
Klimaschutz im „Salem“: Interview
mit Dr. Stephanie Snyder-Ramos
.jpg?m=1746601709)
Das deutsche Gesundheitswesen hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Umwelt und folglich auch auf den Klimawandel. Etwa fünf Prozent des nationalen CO2-Ausstoßes entfallen in Deutschland auf den Gesundheitsbereich. Doch die Krankenhäuser hierzulande steuern gegen, nehmen ihre Verantwortung für den Klimaschutz sehr ernst und tragen aktiv zum Klimaschutz bei. Das gilt auch für das Salem-Krankenhaus. Dr. Stephanie Snyder-Ramos ist Klimamanagerin des Hauses. In einem Interview spricht die 54-jährige Fachärztin für Anästhesie unter anderem darüber, wie sie zum Klimaschutz gekommen ist, welche vielfältigen Klimaschutzmaßnahmen es gibt, welche Maßnahmen im Salem bereits erfolgreich umgesetzt worden sind und welch eine hohe Bedeutung das Projekt „KLIK green“ für die Medizinerin hat.
Hallo, Frau Snyder-Ramos. Im Interview mit Ihnen hört man schnell heraus, wie wichtig der Klimaschutz im Krankenhaus ist. Wie lange machen Sie das schon?
Snyder-Ramos: Ich bin seit 2020 Klimamanagerin am Salem – also fünf Jahre.
Wie sind Sie überhaupt zum Klimaschutz gekommen?
Snyder-Ramos: Über das KLIK-green-Projekt. Dieses Projekt wurde zwischen Mai 2019 und April 2022 im Rahmen der Nationalen Klimaschutz-Initiative des Bundesumweltministeriums gefördert und konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Hintergrund war, dass Krankenhäuser und Reha-Kliniken ressourcenintensive Großverbraucher sind und parallel einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Ziel von KLIK-green war es, innerhalb der Projektlaufzeit mindestens 100.000 Tonnen CO-2 Äquivalente zu vermeiden. Bundesweit engagierten sich seinerzeit 250 Krankenhäuser und Reha-Kliniken mit mehr als 1600 Klimaschutzmaßnahmen. Auch wir am Salem haben an diesem Projekt teilgenommen. Und darüber bin ich dann auch zur Klimamanagerin qualifiziert worden.
Häufig steht zu lesen, Klimaschutz sei ein sogenanntes Querschnittsthema, das Krankenhäuser gut voranbringen könne. Sehen Sie das auch so?
Snyder-Ramos: Absolut. Es ist interdisziplinär und interprofessionell. Konkret geht es ja darum, Klimaschutzmaßnahmen zu identifizieren, aber auch Maßnahmen zur Anpassung an dem bereits stattfindenden Klimawandel umzusetzen. Wir sprechen hier von Mitigation und Adaptation – also die Reduktion bzw. Vermeidung von Emissionen und die Anpassung an klimatische Veränderungen.
Es gibt zahlreiche Maßnahmen zum Klimaschutz. Woran haben Sie sich orientiert?
Snyder-Ramos: An den internationalen Nachhaltigkeitsstandards. Die sehen insgesamt 17 Klimaschutzziele vor. Da habe ich mir zehn Ziele als Fokus herausgenommen, die für Gesundheitseinrichtungen besonders relevant sind.
Welche Bereiche meinen Sie da konkret?
Snyder-Ramos: Im Klimaschutz-Katalog unseres Hauses haben wir u.a. die Bereiche Geschäftsführung, Energiesparmaßnahmen, Nutzerverhalten, Wasser, Mobilität, Gebäude oder auch Speiseversorgung - um nur einige zu nennen. Insgesamt also zehn Großbereiche mit vielen kleinen Maßnahmen. In diesem Zusammenhang ist es ungemein wichtig, dass wir eine Nachhaltigkeitsstrategie auf den Weg bringen. Mit einer Nachhaltigkeitsstrategie haben wir eben die Chance, über einen längeren Zeitraum vernünftige, planerische Möglichkeiten – etwa Zielzeitvorgaben - zu definieren. Dass wir also sagen: Ok, man möchte eine Reduktion in Scope 1 und 2 bis 2030 zum Beispiel um 65 Prozent und Scope 3 im Jahr 2035 um 95 Prozent reduzieren. Scope sind die einzelnen Kategorien, was die Emissionen im Krankenhaus betrifft.
Welche Klimaschutz-Maßnahmen sind im Salem bereits umgesetzt worden bzw. an welchen Maßnahmen arbeiten Sie gegenwärtig?
Snyder-Ramos: Ich habe anfangs gedacht, ich mache erst einmal etwas im OP. Da kenne ich mich schließlich aus. Dann habe ich als eine der ersten Kliniken in Deutschland die Narkosegasfilter eingeführt. Narkosegase sind massive Treibhausgase, die einen bis zu 2500fach stärkeren klimaerwärmenden Effekt haben als Kohlenstoffdioxid. Und die wurden bisher einfach über die Narkosegas-Abtragungen in die Atmosphäre abgegeben. Über die Narkosegasfilter kann man dann über Aktivkohle die Narkosegase aufsammeln, also vor dem Freisetzen ausfiltern, und im Rahmen eines Aufbereitungsverfahrens auch wiederverwenden.
Weitere Maßnahmen, die Sie eingestielt haben?
Snyder-Ramos: Wir haben sehr viel im Bereich Energie-Effizienz gemacht. Noch mit dem vorherigen Leiter der Krankenhaustechnik haben wir zum Beispiel LED-Leuchten ausgetauscht bei Leuchtkörpern, die defekt waren. Wir haben die Klima- und Lüftungsanlage im OP optimiert, haben eine Wochenend- und Nachtsenke einprogrammiert mit dem Ziel, dass am Wochenende und nachts nur noch der Not-OP läuft und die anderen OPs reduziert werden. Des Weiteren haben wir die Heißwasser-Temperatur, die Kühlung im EDV-Raum sowie die Vorlauftemperatur Heizung gesenkt.
Damit konnten dann sehr hohe Energieeinsparmaßnahmen erzielt werden?
Snyder-Ramos: Richtig. Allein, was die Klimaanlage betrifft – 30 Tonnen CO2 Äquivalente pro Jahr weniger. Damit einhergehend haben wir auch die Kosten enorm senken können - nämlich 10.000 Euro im Jahr. Weitere Energiesparmaßnahmen haben dann zu einer Kostenersparnis von mehr als 67.000 Euro geführt. Und das allein im Jahr 2022. Rund 90.000 Euro CO2-Äquivalente konnten damit vermieden werden.
Nachhaltigkeitspreis für Konzept der klimafreundlichen Narkose
Dafür gab es seinerzeit eine Auszeichnung für unser Haus?
Snyder-Ramos: Genau. Für dieses Konzept der klimafreundlichen Narkose haben wir von der Stadt Heidelberg 2022 den Umwelt- und Nachhaltigkeitspreis verliehen bekommen. Besonders stolz waren wir auch über einen Beitrag im „Heute Journal“ im November 2023. Dort wurde bundesweit über uns berichtet.
Neben weiteren wissenschaftlichen Publikationen über Narkosegasfilter gab und gibt es ein sehr interessantes Projekt im Salem – Lachgas im Kreissaal. Was hat es damit auf sich?
Snyder-Ramos: Hier geht es nicht etwa um die Partydroge. Nein, hier geht es um Lachgas zur geburtshilflichen Schmerztherapie. Was geschieht konkret: Frauen wird Lachgas über eine Maske angeboten – 50% ist Sauerstoff, 50% ist Lachgas. Das Problem hierbei: Lachgas ist sehr klimaschädigend. Es verweilt 140 Jahre in der Luft und ist zudem auch noch ozon-schädigend. Gemeinsam mit unserer „Leitenden Oberärztin“ in der Gynäkologie, Frau Dr. Beuter-Winkler, und unserer sehr engagierten Hebamme, Frau Vera Gebhardt, haben wir verschiedene Projekte initiiert, wie es uns gelingen kann, den Lachgas-Gebrauch im Kreissaal zu senken.
Was ist dabei am Ende herausgekommen?
Snyder-Ramos: Wir beschränken bei uns im Krankenhaus die Anwendungsdauer für Lachgas auf maximal 30 bis 60 Minuten. Außerdem möchten wir, als eine der ersten Kliniken in Deutschland, eine sogenannte Cracking-Unit einsetzen, also ein Gerät, wo man Lachgas unschädlich machen kann. Das ist schon ein Alleinstellungsmerkmal für unseren Kreißsaal.
Also hin zu einem klimafreundlichen Kreißsaal?
Snyder-Ramos: Exakt. Es ist mir in diesem Zusammenhang wichtig, dass wir einen klimafreundlichen Kreißsaal auf den Weg bringen. Man enthält den Frauen hier keine Schmerztherapie-Optionen vor, sondern sagt, wir haben eine technische Lösung. Eine Einheit, mit der man das Lachgas über eine Art thermische Katalyse in die Gase Sauerstoff und Stickstoff aufspalten kann. Und damit ist es dann völlig unschädlich.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf KLIK green zu sprechen kommen. Wer sich mit diesem Projekt beschäftigt, dem fällt schnell auf, dass man viele Klimaschutz-Maßnahmen im gering und niedrig-investiven Bereich gestalten und umsetzen kann.
Synder-Ramos: Das haben wir auch sofort erkannt und gemacht. Wir haben in Zusammenarbeit mit der Uni-Klinik einen Treibhaus-Rechner für Krankenhäuser in der Anwendungsphase als Krankenhaus getestet. Darüber konnten wir genau festmachen, wie viel Treibhausgase reduziert wurden. An dieser Stelle kommen unsere Scopes wieder ins Spiel. Zur Erinnerung: Bei den Scopes handelt es sich um verschiedene Emissionsquellen. Scope 1 sind beispielsweise die Quellen, die direkt am Krankenhaus entstehen - Lachgas und Treibgas etwa. Scope 2 ist alle eingekaufte Energie – Strom und Dampf als Beispiele. Und Scope 3 sind die CO2-Quellen, die mit Dienstleistungen und Medizinprodukten zu tun haben, um es einmal ganz einfach zu formulieren.
Salem soll bis 2045 „Zero-Emission-Hospital“ werden
Wie konkret sind Sie vorgegangen?
Snyder-Ramos: 2019 habe ich als Basisjahr genommen, vor Corona und bevor wir mit Klimaschutz angefangen haben. Dann bis im Jahr 2022, als wir die Klimaschutz-Ziele umgesetzt haben, konnten wir fast 800 Tonnen CO2 einsparen bzw. vermeiden – also im Zeitraum 2020 bis 2022. In Scope 1 und 2 haben wir gute Reduktion geschaffen, in Scope 3 leider nicht. Scope 3 ist dieser schwierige Bereich - also Medizinprodukte, Medikamente, Mobilität, Lieferketten, wo man auch sehr schwer drankommt. Der aber natürlich auch erfasst werden muss, wenn es um einen langfristigen Klimaschutz geht.
Sind Sie mit den bereits erfolgreich initiierten Klimaschutz-Maßnahmen am Salem zufrieden? Wie sieht Ihre persönliche Bilanz aus?
Snyder-Ramos: Wir haben hier am Salem in Sachen Klimaschutz schon einiges unternommen. Dennoch bedarf es auch weiterhin einer grundlegenden Nachhaltigkeitsstrategie. Wir sind bestrebt eine Planung zu einem klimaneutralen Krankenhaus auf den Weg zu bringen. Unser Ziel: bis spätestens 2045 ein sogenanntes „Zero-Emission-Hospital“ zu werden. Dazu werden wir verschiedene Projekte mithilfe des Treibhausgas-Rechners identifizieren, priorisieren und umsetzen.
Eine letzte Frage noch, Frau Dr. Snyder-Ramos. Woher kommt Ihr Enthusiasmus zum Klimaschutz?
Snyder-Ramos: Ich habe eine große intrinsische Motivation, weil ich mir einfach sage: Klimawandel ist Realität. Da kann ich nicht nur passiv sein. Da kann ich nicht einfach nur zusehen. Ich habe mich eher immer wieder gefragt, wo kann ich mich engagieren für Klimaschutz? Über das Projekt KLIK green ist mir sofort klar geworden: natürlich am eigenen Arbeitsplatz. Man muss immer eine Vision haben, auf die man zuarbeiten kann.
Und Mitstreiter haben, mit denen man sich regelmäßig austauschen kann…..
Snyder-Ramos: ….natürlich. Ich bin vernetzt mit vielen anderen Klimamanagern, mit deutschen Klima-Allianzen und Organisationen sowie anderen Anästhesie-Abteilungen. Da spielt man sich immer wieder verschiedene Ideen zu. Ich will in Sachen Klimaschutz im Krankenhaus auch weiter sehr aktiv sein und Projekte anvisieren. Das ist in jedem Fall hilfreich und sinnvoll. Man braucht aber auch größere Langzeit-Visionen. Heißt: Wir brauchen – wie ich es bereits an anderer Stelle habe anklingen lassen - unbedingt eine Nachhaltigkeitsstrategie, die längerfristig denkt.